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Artikel im Fachmagazin Factory - Ausgabe April 2021

Predictive Maintenance mit KI und Ultraschall


Predictive Maintenance kann aufwändig und teuer werden. Schließt das die KMU aus? Ein Wiener Unternehmen macht die vorausschauende Instandhaltung auch für kleinere Firmen zugänglich. Und setzt dabei auf die Kombination von KI und Ultraschall.



Wenn Markus Loinig potenzielle Neukunden besucht, trifft er häufig auf Skepsis. Immerhin hat er neben einem Tablet und ein paar Ultraschallsensoren auch das Versprechen im Gepäck, innerhalb weniger Minuten Auskunft über den Zustand einer Maschine oder Anlage zu geben, die er noch nie gesehen hat.


„Dass man das ohne spezifische Daten in kurzer Zeit lösen kann, glaubt zunächst niemand“, erzählt Loinig, „und das liegt wohl auch daran, dass es im Bereich der Predictive Maintenance schon zu viele leere Versprechen gegeben hat.“


Der studierte Maschinenbauer mit Vergangenheit bei Daimler und als Unternehmensberater hat 2019 Senzoro gegründet. Das Unternehmen rückt Maschinen- und Anlagenausfällen mit einer Kombination von Ultraschall-Sensorik und Künstlicher Intelligenz auf den Leib.


User können eigene KI-Modelle erstellen


Und das geht – vor allem bei Wälzlagern – ziemlich schnell. Mittels Magneten werden leistungsfähige Breitband-Ultraschallsensoren an die zu untersuchende Maschine geheftet, die den spezifischen Körperschall der Maschinenkomponente aufnehmen. Die Werte werden binnen weniger Sekunden ermittelt und auf das Tablet übertragen, dessen KI die nötigen Features extrahiert und die Ergebnisse in Form einer Gesundheitskennzahl von 0 bis 100 anzeigt. Dann geht es direkt zur nächsten Anlage, fixe Sensoren werden nicht installiert.


Möglich wird das auf der Basis großer Erfahrung: Die KI arbeitet mit den Informationen aus mehr als 20.000 Messungen an hunderten Wälzlagern. „Wir haben hier mittlerweile eine Erkenntnistiefe erreicht, die uns nach der Messung genau sagen lässt, ob das Wälzlager noch drei Monate hält oder nicht“, sagt Markus Loinig. Vor allem aber kann das „BeepMeep®“-System anhand der Frequenzen, die das Wälzlager emittiert, sowohl den Fortschritt einer Beschädigung als auch ihren Ort bestimmen. So „klingen“ beispielsweise Schäden im Außenring anders als solche im Innenring.


Und das Lernen kann durchaus weitergehen. BeepMeep® ist so konzipiert, dass Anwender ihre spezifischen Daten aufzeichnen und auf deren Basis selbst KI-Modelle erstellen können. Der Clou dabei: BeepMeep® selektiert automatisch das beste Modell und zeigt sowohl dessen Genauigkeit als auch die Gewichtungen der zugrundeliegenden Merkmale.


„Unsere KI kann auch standalone arbeiten“, sagt Loinig, „aber die Verheiratung mit spezifischen Daten macht die Ergebnisse natürlich noch genauer.“ Das Wissen darum, ob sich ein Element der Versagenssignatur nähert oder sich davon entfernt, ermöglicht zudem KI-basiertes Smart Trending: Mittels BeepMeep® können Benutzer so auch Verläufe verfolgen.


Das Wissen darum, ob sich ein Element der Versagenssignatur nähert oder sich davon entfernt, ermöglicht KI-basiertes Smart Trending.

Vieles spricht für Ultraschall


Für die Messungen setzt Senzoro die aktuell leistungsfähigsten Ultraschallsensoren auf dem Markt ein. Sie erlauben das Erfassen von Frequenzen bis zu 700 kHz, und dieser Körperschall liegt in einem Frequenzbereich, der für Menschen weder hör- noch spürbar ist. Ultraschall ist in Markus Loinigs Augen ein Mittel der Wahl bei Predictive Maintenance, das an Bedeutung gewinnen werde.


Einerseits, da die Technologie nichtinvasiv funktioniert: Mittels Ultraschalls lassen sich Maschinen und Anlagen, Motoren, Pumpen und andere Technologie im laufenden Betrieb und ohne die Installation permanenter Sensoren messen.


Andererseits ist die Kombination von Ultraschall und KI Loinig zufolge zukunftssicher: Messungen werden von benachbarten Quellen kaum beeinflusst, liefern daher sehr reine Daten. Dadurch können Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammengefügt werden, um auf dieser Basis trainierte KI-Modelle werksübergreifend anzuwenden. Ultraschall hat außerdem eine hohe Informationsdichte, und die Messzeit an einer Anlage beträgt nur wenige Sekunden.


Stationäre Anwendungen sollen folgen


Die größte Erfahrung hat Senzoro in der Messung von Wälzlagern. Irrtümer seien hier bislang nur in einer Richtung aufgetreten, sagt Markus Loinig: Es kam schon vor, dass die Komponenten länger durchhielten als prognostiziert, „aber es ist noch nie vorgekommen, dass etwas früher ausgefallen ist“.


Ein weiteres Anwendungsgebiet sind Getriebe. Deren höhere Komplexität erfordert derzeit noch drei Messungen, „doch wir arbeiten daran, auch hier mit nur einer Messung auszukommen“. Auch die Daten von anderen mechanischen Komponenten wie Motoren, CNC-Spindeln, Pumpen oder Generatoren kann BeepMeep® erfassen.


Stationäre Anwendungen sind bei Senzoro derzeit noch in der Phase der Erforschung, aber auch hier sieht Markus Loinig spannende Use Cases kommen. Ebenso bei der Detektion von Energieverlusten etwa durch Druckluft- oder Gasleckagen – hier sei der finanzielle Leidensdruck in der Industrie noch nicht allzu groß, könnte aber mit dem Greifen des Green Deal deutlich steigen, meint der Senzoro-Gründer.


„Das muss deutlich einfacher werden“


Dass BeepMeep® ohne Internetverbindung und somit ohne Uploads in die Cloud auskommt, verweist auf die von Senzoro adressierte Zielgruppe. Wer Predictive Maintenance im Sinne von Industrie 4.0 versteht – also laufend gewonnene Daten in Echtzeit anderen Anwendungen zur Verfügung stellen will –, wird damit nicht bedient.


Die Ungeduld gegenüber den großen Plänen, die es allzuoft nicht in die Praxis schaffen, treibt wohl auch Markus Loinig an. „Predictive Maintenance muss deutlich einfacher werden, sonst wird das nichts mehr“, sagt der Firmengründer. „Daher halten wir uns auch von den großen Konzernen mit ihren langen Entscheidungswegen fern. Bei KMU habe ich sofort die Entscheidungsträger am Tisch und kann ihnen unmittelbar zeigen, was unsere Leistung ist.“


Was meist nur wenige Minuten dauert.


„Predictive Maintenance muss deutlich einfacher werden, sonst wird das nichts mehr.“ Markus Loinig, Senzoro

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